alte und neue Blindenschriften, Reliefschriften, Punktschriften, taktile Schriften, haptische Schriften
Entwicklung der Blindenschriften früher und heute:
Einteilung der Blindenschriften (haptische bzw. taktile Schriften) in Punktschriften und Reliefschriften:
Auch die Stachelschrift zähle ich zu den Reliefschriften, da die Punkte genau wie bei
Dotty Moon nicht einzeln fühlbar sind, sondern als geometrische
Form erkannt werden.
Auch wenn die anderen Schriften kaum eine Rolle spielen ist die generelle Gleichsetzung von Brailleschrift
und Punktschrift oder von Brailleschrift und Blindenschrift falsch. Die Brailleschrift ist zwar die effektivste
und erfolgreichste Blindenschrift, aber sie ist nicht für alle Blinden geeignet oder wird durch diese genutzt.
Vor dem Siegeszug der Punktschriften wurden zum Beispiel erhaben dargestellte Buchstaben
nach Valentin Haüy
zum Lesen für Blinde verwendet, die viel zu kompliziert waren, um hintereinander gelesen werden zu können. Bei der seit 1784 verwendeten
Reliefschrift nach Haüy (tastbares Alphabet) wurden die Schriftzeichen auf der Rückseite mit einer eisernen Feder spiegelverkehrt in
dickes Papier eingeritzt oder aus Draht geformt und eingedrückt.
Aber auch die Stachelschrift,
die Johann Wilhelm Klein 1807 erfunden hatte, war nur schwer lesbar, obwohl sie
die lateinischen Buchstaben in Punkten darstellte. Denn es musste erst der gesamte Buchstabe mit dem Finger
in Auf- und Abwärtsbewegungen abgefahren werden, um ihn zu erkennen.
Die erste echte Punktschrift erfand 1815 Charles Barbier.
Die Zeichen seiner für militärische Zwecke erfundenen
Nachtschrift bestanden aus
bis zu 12 Punkten in zwei Reihen. Barbier unterbreitete seine Schrift auch dem Pariser
Blindeninstitut, wo sie auch zeitweise als Blindenschrift genutzt wurde.
... hier die Tabelle mit der Barbier-Alphabet-Punkte-Belegung.
Wer hat die Blindenschrift erfunden? Louis Braille entwickelte von 1821 bis 1825 sein Punktschrift-Alphabet aus
der Nachtschrift von Charles Barbier heraus,
indem er die Anzahl der Punkte auf 6 reduzierte. Dadurch war seine Punktschrift sehr gut zu lesen und zu schreiben.
Die erste Veröffentlichung seiner Punktschrift erfolgte 1829, allerdings dauerte es noch viele Jahre, bis sich
diese Schrift durchsetzen und die vorher benutzten Blindenschriften ersetzten konnte. Erst 1850 wurde die
Brailleschrift
offiziell als Blindenschrift anerkannt, danach setzte sie sich auch international (teils durch phonetische Anpassung) durch.
1839 stelle Louis Braille seine Raphigraphy
zur Nachbildung der Schwarzschrift vor. Mit dieser Schrift konnten Blinde ihren Angehörigen schreiben,
die Brailleschrift nicht lesen konnten. Später wurde diese Schrift mit einer Apparatur geschrieben und
zunehmend ersetzte die Schreibmaschine diese Schrift.
... hier die Tabelle mit der Raphigrafie-Alphabet-Punkte-Belegung
Parallel entstanden auch weitere Reliefschriften, unter anderem 1845 die
Moonschrift
von Dr. William Moon, welche
trotz optischer Einfachheit noch nicht problemlos taktil zu erfassen ist. Moon entwickelte das System von
James Hatley Frere weiter, der mit ähnlichen Zeichen wie Thomas Marc Lucas zuvor ein phonetisches Alphabet entwickelt hatte. Teilweise wird das
Moonalphabet in einigen Regionen der Erde heute noch als Standard-Blindenschrift verwendet.
... hier die Tabelle mit der Moon-Alphabet-Text-Beschreibung ... hier die Tabelle mit der Dotty-Moon-Punkte-Belegung
Von 1871 bis 1916 wurde in New York das von Braille abweichende Punktschrift-System "New York Point" benutzt.
Die um 1860 von William Bell Wait
erfundenen Zeichen waren nur zwei Punkte hoch. Doch trotz Groß- und Kleinbuchstaben,
Ziffern und Satzzeichen war diese Schrift durch die unterschiedliche Länge der Zeichen schwerer zu lesen als
Braille und wurde 1916 beim "Krieg der Punkte" (War of the dots) durch das englische Braille verdrängt.
Auch die von Joel W. Smith 1878 reformierte Version "American Braille"
konnte sich in dieser Auseinandersetzung nicht durchsetzen, obwohl sie die von Braille willkürlich
festgelegte Zuordnung der Punktmuster durch eine statistisch effektivere ersetzte (häufigste Buchstaben
erhielten die geringsten Punkte). Eine einheitliche Blindenschrift im englisch-sprachigen Raum hatte
Vorrang und unterstützte so auch die internationale Verbreitung der Brailleschrift.
... hier die Tabelle mit der American-Braille-Punkte-Belegung (neues Fenster)
Dr. Don Aniceto Mascaró aus Lissabon versuchte um 1900, eine Punktschrift mit der Schwarzschrift zu kombinieren. Sein
Mascaro-Alphabet
war aber nicht praxistauglich.
Mit Einführung der Computer in den 1980er Jahren wurde das Braille-System auf 8 Punkte erweitert, damit jedes Zeichen des Computers genau
einem Braillezeichen entsprach. Mit diesem Computerbraille waren nun insgesamt 2 hoch 8 =
256 verschiedene Zeichen möglich. Die Zeichenzuordnung zu 8-Punkt-Braille wurde als Eurobraille
definiert.
In Weiterführung der Idee von Louis Braille für seine Raphigrafie zur besseren Kommunikation Blinder und
Sehender wurde von Alexander Fakoó von 2007 bis 2008 eine alternative Punktschrift
entwickelt. Fakoo benutzt die gleichen Punkte wie die
Braille-Schrift, jedes Zeichen besteht aber aus bis zu 9 Punkten und einem integrierten Buchstabenabstand.
Damit ist diese Punktschrift auch für Sehende lesbar, woraus sich viele Vοrteile
ergeben.
... hier die Tabelle mit der Fakoo-Alphabet-Punkte-Belegung
Für handschriftliche Aufzeichnungen Blinder wurde 2008 von Alexander Fakoó eine kurvenlose
Blinden-Schreibschrift entwickelt, welche nur die 4 Seitenlinien und die zwei Diagonalen eines Quadrates
benutzt. Diese Quadratschrift lässt sich einfacher als Moon schreiben und enthält neben Buchstaben
auch Ziffern. Da Quadoo stark an die Schwarzschrift angelehnt ist, entsteht ein großer Wiedererkennungs-Effekt.
... hier die Tabelle mit der Quadoo-Alphabet-Text-Beschreibung ... hier die Tabelle mit der Dotty-Quadoo-Punkte-Belegung (neues Fenster)
Zur universellen Nutzung wurde 2012 von Alexander Fakoó noch das verwechslungsfreie 7-Segment-AlphabetSiekoo
entwickelt, welches neben den Ziffern auch für alle Buchstaben nur die 7 Elemente von 7-Segment-Anzeigen benutzt.
... hier die Tabelle mit der Siekoo-Alphabet-Text-Beschreibung
Im Jahr 2016 wurde von Stefan Stoynov (Bulgarien) das Rila-Alphabet entwickelt.
Ein wichtiger Vorteil seines Systems ist es, dass die Zeichen nicht nur für das lateinische,
sondern auch für das griechische und kyrillische Alphabet genutzt werden können.
In New York entwickelte das ELIA Idea Team seit 2017 das Elia-Alphabet,
welches für für Menschen mit Sehbehinderung eingesetzt werden soll.
einige Blindenschriften von früher und heute im Vergleich:
Zu beachten wäre, dass die Buchstaben der Braille-Schrift fast ohne erkennbaren seitlichen Abstand aneinander gereiht werden.
Eine der ersten Schreibmaschinen für Blinde - der Raphigraph von 1841
(im Gegensatz zur Schreibkugel von 1872 wurden hier
die lateinischen Buchstaben spaltenweise geschrieben) - weitere Links zu Blindenschreibmaschinen